Mathis Wackernagel, Entwickler des «ökologischen Fussabdrucks»
Ein Gespräch über Ressourcen und Messkonzepte
Viele unserer Kundinnen und Mitarbeiter fragen sich, wie es mit dem Klima- und Umweltschutz weitergehen kann. Zur Diskussion einiger dieser Fragen konnten wir Mathis Wackernagel gewinnen. Wackernagel kommt aus Basel, hat in Kanada promoviert und lebt in Kalifornien. Er hat das «Global Footprint Network» aufgebaut, das er seit über 15 Jahren präsidiert. Der «ökologische Fussabdruck» wird heute weltweit als Nachhaltigkeitsmesskonzept angewandt.
Derzeit wird viel von Kreislaufwirtschaft gesprochen. Wie können Regeln für Ökodesign und Deklarationspflichten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten?
Kreislaufwirtschaft? Ein bisschen mehr als das braucht es schon. Materielle Kreisläufe zu schliessen, ist wunderbar. Aber noch dringender ist die Frage, wie gross diese Kreisläufe sind. Gerade diese Dimension fehlt aber der «Kreislaufwirtschaft», wie sie heute angepriesen wird. Damit wird sie zu Augenwischerei. Sie unterschätzt die «Overshoot»-Dynamik. Zum Beispiel fehlen ihr sinnvolle Messgrössen. Es gibt keine Messgrössen, die das Kreislaufschliessen in einen klaren Bezug bringt zu der regenerativen Grenze unseres Planeten und zu der Tatsache, dass sie schon weit überschritten wird. Was wäre nützlich zu messen? Messen wir einfach Materialflüsse in Kilogramm, dann fallen die Kieselsteine und das Steinaggregat besonders ins Gewicht.
Was braucht es denn wirklich, um uns ins ökologische Gleichgewicht zu bringen?
Die Dekarbonisierung ist ganz wesentlich. Die vielseitig einsetzbare und billige fossile Energie hat uns erlaubt, unseren Materialkonsum zu multiplizieren. Sie hat damit die Menschheit in einen ökologischen «Overshoot» geführt. Eine stabile Zukunft verlangt den Ausstieg aus der fossilen Energie, schon dem Klima zuliebe, aber ohne dabei den Druck auf andere biologische Ressourcen zu erhöhen. Wir sehen dazu fünf grosse Themen (www.overshootday.org/solutions). Sie werden alle von unseren Investitionen, Märkten, Politiken und Regulationen bestimmt:
1. Angebot erhalten oder gar steigern: Wie können wir die Regenerationsfähigkeit der Natur nachhaltig stärken?
Die anderen vier sind auf der Nachfrageseite:
2. Wie organisieren wir unsere Städte? Sind sie kompakt, energieeffizient? Wie gross sind die Gebäude? Städte bestimmen unsere Lebensweisen.
3. Wie produzieren wir Energie? Mit Kohle oder mit der Sonne?
4. Wie essen wir?
5. Wie viele Menschen sind wir?
Und wie schaffen wir es, Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen?
Die Schlüsselfrage ist, ob wir alle, und besonders die Investoren und Architekten der Wettbewerbsfähigkeit, die Quintessenz der Ressourcensicherheit erkennen. Will die Schweiz in der Zukunft mehr als eine Schweiz nutzen? (Heute brauchen wir 4,5.) Oder wird das zum Wirtschaftsrisiko? Erkennen wir das als zentrales Risiko, wird alles möglich. Wenn nicht, bleiben wir bei den netten, noblen Projekten, die unseren Weg kaum neu bestimmen.
Der ökologische Fussabdruck macht komplexe Zusammenhänge einfach begreifbar. Wie bist du auf die geniale Idee dieses Konzepts gekommen?
Das Konzept entstand in der Zeit des Brundtland-Berichts «Our Common Future» von 1987. Der Bericht hat Nachhaltigkeit schwer verständlich definiert, ohne klare Messgrössen. Die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit war aber offensichtlich: Wir haben nur eine Erde, und die können wir nicht ewig übernutzen. Damit liegt der Fussabdruck nahe: Wie viele Erden brauchen wir? Bei den Tieren spricht jeder Biologe von der Tragfähigkeit eines Lebensraums. Bei den Menschen, so hiess es oft, sei das anders, weil Menschen Technologien einsetzen können. Aber auch mit Technologien brauchen wir Ressourcen, oft sogar mehr. Wie bei den Tieren können wir daher auch unsere Nachfrage mit der ökologischen Regeneration vergleichen. Viele andere vor uns haben dies auch schon postuliert. Das haben wir dann mit dem Fussabdruck umgesetzt und die Tragfähigkeit auf globaler, nationaler und regionaler Ebene gemessen.